
Tiefensee im Dialog
Südthüringer Handwerker beim Regionalforum "Energie" mit Thüringens Wirtschaftsminister
„Wo bleiben denn die kleinen und mittelständischen Unternehmen?“ Mit dieser Eingangsfrage brachte Thüringens Wirtschaftsminister Wolfgang Tiefensee die Sorgen auf den Punkt, die das Handwerk seit Monaten umtreiben.
Dass die Verunsicherung und der Unmut groß sind, verwundert nicht. Allzu lange war die Durchhaltefähigkeit der „Wirtschaftsmacht von nebenan“ in der aktuellen Krise als selbstverständlich angesehen worden. Angesichts dieser Situation hatten die Handwerkskammer Südthüringen und das Thüringer Ministerium für Wirtschaft, Wissenschaft und digitale Gesellschaft Anfang Dezember interessierte Handwerksunternehmerinnen und -unternehmer zu einem Regionalforum auf den Bildungscampus BTZ Rohr-Kloster eingeladen. Wolfgang Tiefensee stellte sich live vor Ort den Fragen aus den Reihen der über 40 Gäste und erläuterte das Unterstützungskonzept der Landesregierung.
Sowohl Handwerkskammerpräsident Mike Kämmer als auch Hauptgeschäftsführerin Manuela Glühmann betonten, dass es noch immer erhebliche Planungsunsicherheit in der Region gebe. Dies werde gerade in den Beraterteams der Handwerkskammer Südthüringen täglich deutlich, die den Unternehmen mit ihrem kostenfreien Angebot auch in dieser Krise gerne zur Seite stünden. Die Stimmung sei „abwartend pessimistisch“, die mittelbare Betroffenheit groß. Insbesondere die bisherige Kommunikation sei in der Handwerkerschaft oft kritisch gesehen worden. Umso mehr begrüßten sie nun die Möglichkeit für den direkten Austausch zwischen Politik und Wirtschaft.
Unterstützung für Betriebe
Moderator Dr. Jens Triebel leitete diesen Austausch mit der Frage ein, ob künftig auch Nutzer von anderen Energieträgern als Gas oder Elektrizität mit staatlicher Unterstützung rechnen dürften. Diesen Punkt habe die Landesregierung bereits auf Bundesebene eingebracht, so Wirtschaftsminister Tiefensee. Das neu aufgelegte „Thüringer Existenzsicherungsprogramm“ sei darüber hinaus nicht auf bestimmte Energieträger festgelegt. Er riet Betroffenen, sich zügig mit ihrer Steuerberatung abzusprechen, damit sie die Förderung rechtzeitig beantragen können, bevor akut eine Insolvenz droht.
Wie notwendig konkrete Fördermaßnahmen für neue Wärmequellen und eine schnelle Antragsbearbeitung seien, betonte Geschäftsführer Alexander Voigt aus Meiningen. „Der Landtag will Sie dabei unterstützen, diese Energieträgerumstellung finanzierbar zu machen!“, sicherte Wirtschaftsminister Tiefensee zu. Hierfür gebe es Kredite, Bürgschaften oder Förderangebote wie InnoInvest, um die im jeweiligen Fall passende neue Energiequelle zu finden und finanzierbar zu machen.
Diskussion um Energiequellen
Woher langfristig die Energie kommen solle, interessierte Kreishandwerksmeister Mario Hähnlein aus Sonneberg. „Diversifizieren!“, lautete hierauf Wolfgang Tiefensees Antwort. „Die Langfristperspektive ist eine europäische, eine internationale. Sie reicht von den Wasserkraftwerken in Skandinavien bis zur Wasserstoff- und Ammoniakproduktion anderswo auf der Welt“, fasste er zusammen und wies auf laufende Verhandlungen zu neuen Energiepartnerschaften hin, etwa mit Namibia. Hinzu kämen eine gesteigerte Eigenproduktion und eine verbesserte Speichertechnologie. Diese biete auch große Entwicklungschancen für heimische Unternehmen, so der Wirtschaftsminister.
Für ein Ende der Sanktionspolitik und eine Wiederaufnahme der bisherigen Gaslieferungen sprach sich Tischlermeister Stefan Mäurer aus Bad Salzungen aus, woraufhin Wolfgang Tiefensee die Gegenfrage nach einer möglichen Alternativreaktion stellte. Es sei seiner Überzeugung nach nötig, solidarisch an der Seite der Ukraine zu stehen und Wirtschaftssanktionen seien hierfür das friedlichste Mittel. Hierzu meldete sich ein weiterer anwesender Handwerker zu Wort, der auf Geschäftsreisen persönliche Erfahrungen im Krisengebiet gesammelt hat: „Ich finde es nicht gut, dass wir es machen müssen, aber wir müssen eine Reaktion zeigen. In der Energiepolitik müssen wir mit der Situation umgehen und unsere Hausaufgaben machen, da kommen wir nicht darum herum“, führte dieser aus.
Wie umsteigen?
Wie der zügige Umstieg auf einen neuen energetischen Stand gelingen solle, wollte Frank Wilhelm, Meister Installateur- und Heizungsbauerhandwerk aus Floh-Seligenthal wissen. „Das geht nicht von heute auf morgen“, berichtete er aus seiner jahrzehntelangen Berufserfahrung. Wolfgang Tiefensee bestätigte, dass eine Umstellung „immense Investitionen“ erfordern und zumindest zehn bis fünfzehn Jahre dauern werde. Die Bundesregierung wolle erneuerbaren Energien aller Art in Deutschland zum Durchbruch verhelfen, die europäische Vernetzung vorantreiben und Speichertechnologien fördern.
„Dann muss auch vom Wirtschaftsministerium dafür gesorgt werden, dass Fachkräfte bei uns in Deutschland ausgebildet werden, um das alles zu stemmen!“, wies Frank Wilhelm hin. „Wir müssen die jungen Leute dafür fitmachen“, stimmte ihm Wolfgang Tiefensee zu. Das duale Ausbildungssystem sei hervorragend, die Berufliche Orientierung in den Lehrplänen verankert, doch gingen Eltern und Jugendliche mit ganz eigenen Vorstellungen an das Berufsleben heran. Hier leisteten sowohl das Handwerk als auch die Politik kontinuierlich Überzeugungsarbeit. Er warb um rege Beteiligung an Projekten wie der Jugendunternehmenswerkstatt und um eine „Einladungskultur“ gegenüber ausländischen Fachkräften.
Praktische Hürden
Energieberater Dipl.-Ing. Michael Bickel berichtete aus seinen zahlreichen Unternehmenskontakten: Der Wille sei da, aber bürokratische Hürden und das Konzessionsrecht stünden innovativen Energielösungen oft im Wege. Dies betreffe beispielsweise die dezentrale Energieerzeugung oder die Abwärmenutzung. Hier sei eine Flexibilisierung dringend zu prüfen. Ebenso seien bestehende Förderprogramme oft „nicht kleinbetriebsgerecht“ ausgestaltet, insbesondere die Antragstellung und die Förderkriterien.
Hierzu antwortete Dr. Cornelius Ilgmann, Abteilungsleiter im Wirtschaftsministerium: Die Förderprogramme seien in kontinuierlicher Abstimmung mit den Kammern, um Rückmeldungen aufzunehmen. Außerdem sah er die Kommunalpolitik am Zuge, ihren Einfluss auf die Stadt- und Überlandwerke geltend zu machen, um mehr Flexibilität für die Unternehmen zu erreichen.
Nach rund zwei Stunden ging der rege Austausch dem Ende entgegen. Manuela Glühmann lud ein, noch offene Fragen in der Handwerkskammer zu sammeln und an den Wirtschaftsminister weiterzuleiten. Wolfgang Tiefensee sagte zu, im Austausch zu bleiben, und versicherte den Gesprächspartnern: „Wir versuchen nach Kräften, Sie zu unterstützen!“