
Im Gespräch mit der ehrenamtlichen Prüferin Sandra Günther
In der deutschen Handwerksausbildung spielen ehrenamtliche Prüfer eine zentrale Rolle. Sie sichern nicht nur die Qualität der Abschlüsse, sondern tragen auch dazu bei, dass die Ausbildung praxisnah und zukunftsorientiert bleibt. Eine von ihnen ist Sandra Günther, seit 2019 im Gesellenprüfungsausschuss der Elektroniker (Fachrichtung Energie- und Gebäudetechnik) aktiv und seit 2021 dessen Vorsitzende. Im Interview verrät sie, was sie antreibt – und warum ihr Engagement weit über das Prüfen hinausgeht.
Frau Günther, was hat sie damals motiviert, die Ausbildung zu Ihrem Steckenpferd zu machen?
Schon bei meinem Quereinstieg in die Elektrobranche habe ich gemerkt, dass es mir einfach Spaß macht, die Lehrlinge zu unterstützen. Daraus sind dann die Idee und der Wunsch entstanden, meinen Meister zu machen und mein Wissen weiterzutragen. Ich wollte den Lehrlingen ein Ziel mit auf den Weg geben und sie ein Stück weit begleiten.
Wie sind Sie dann zum Prüfen gekommen?
Man stellt in der Ausbildung fest, dass hier noch viel zu tun und zu entwickeln ist. Auch, dass sich da jahrelang nicht so viel verändert hat. Dies war mein Bewegrund, mich einzubringen. Ich wollte unbedingt einen Beitrag leisten. Was kann man verbessern? Ich wollte einen Blick dafür bekommen, wo ich anknüpfen kann.
Ich habe dann erstmal im Prüfungsausschuss hospitiert und bei den Korrekturen der Prüfungsaufgaben mitgewirkt. Da habe ich gemerkt: „Hier könnte ich mich einbringen!“ Damals wurde noch vieles von Hand geschrieben und sehr aufwendig gerechnet. Es wurde Zeit, digitaler zu werden.
Hat sich in dieser Hinsicht schon etwas bewegt?
Oh ja, sehr viel. Wir haben selbst an einer sehr ausgeklügelten Bewertungstabelle gefeilt, die wir bereits verwenden. Mittlerweile ist aber auch der ZVEH sehr gut dabei und zusammen agieren wir im Ausschuss für die Erstellung der Prüfungsaufgaben. Wir können da sicherlich noch Einiges bewirken.
Wie gut lässt sich Ihr Ehrenamt mit Ihrem mit Ihrem Berufs- und Privatleben vereinbaren?
Man schöpft aus dem Ehrenamt ja selbst auch seine eigene Energie. Und wenn man alles im positiven Sinne macht, dann ist es egal, wie viel Zeit das in Anspruch nimmt.
Stimmt es, dass Sie auch Trainerin sind?
Fußballtrainerin, ja. Für Mädels, wohlgemerkt!
Gibt es da Gemeinsamkeiten mit Ihrem Ehrenamt als Prüferin?
Durchaus, ja. Die junge Generation ist oft noch ein bisschen ziellos. Ich betreue ja kleine Mädchen und versuche, auch Ihnen etwas Greifbares mit auf den Weg zu geben. Leidenschaft, Ehrgeiz, Spaß, Gemeinschaft – das gilt im Sport genauso wie in der Ausbildung.
Denken Sie, Sie haben eine persönliche Note als Prüferin?
Das ist eine schwierige Frage. Streng bin ich schon in mancher Hinsicht, aber nur, weil ich die Prüflinge einfach noch mehr fordern möchte. Ich weiß, was die junge Generation kann und möchte nicht, dass „gut“ für sie gut genug ist. Sie sollten ihr volles Potenzial ausschöpfen.
Haben sich über die Jahre neue Schwerpunkte in Ausbildung und Prüfung ergeben?
In der Ausbildung ist die Herausforderung, dass die heutige junge Generation schlicht anders ist, aber im positiven Sinne. Sie hat ein ganz anderes Potenzial. Meine Aufgabe ist deshalb, die ältere Generation feinfühlig für die jüngere zu machen und zwischen ihnen zu vermitteln, so dass es einfach Spaß macht, Ausbildung zu betreiben.
Sie würden also nicht sagen, die heutige Jugend sei nicht so ausbildungsbereit wie früher?
Im Gegenteil. Sie hat ganz andere Kompetenzen, geht ganz anders ran, will ihr eigenes Ding machen und Verantwortung bekommen. Wir Älteren tun uns da schwer, dies zuzulassen. Mit mehr Offenheit könnte man viel mehr aus der Jugend rauskitzeln.
Aber es gibt doch auch die Fälle, in denen Auszubildende es nicht schaffen?
Einige passen vielleicht von Anfang an nicht in das Berufsfeld, aber das ist ein geringer Anteil. Es kommt immer darauf an, wie man mit den Jugendlichen in der Ausbildung und in der Schule umgeht und wie man ihnen die Lehrinhalte vermittelt. Bei Wiederholungsprüfungen gehen wir mit ihnen vorab nochmal durch, wie sie sich besser vorbereiten können. Auch am Ende der Prüfung ist uns immer sehr wichtig, dass wir die dreieinhalb Jahre Revue passieren lassen und betrachten, wie sie sich entwickelt haben. Über solches Feedback sind die Azubis immer sehr dankbar.
Gibt es Ereignisse aus Ihrer Prüfertätigkeit, auf die Sie besonders gerne zurückblicken?
Letztens hatten wir einen Jugendlichen, der hatte gerade seine Prüfung hinter sich und nahm an, sie nicht bestanden zu haben. Er ging sehr traurig in das Endgespräch und wir sind seine Ausbildungszeit und Prüfung durchgegangen, die negativen genauso wie die positiven Aspekte. Als er dann hörte, dass er, obwohl es so knapp war, die Prüfung geschafft hatte, hat er meinen Kollegen umarmt, war gerührt und glücklich zugleich. Das war schon ein besonderes Erlebnis.
Wird es so ein Absolvent nicht später im Beruf schwer haben?
Eine Prüfung ist immer eine Momentaufnahme. Die Azubis schaffen vielleicht ihre Prüfung gerade so, sind aber deswegen nicht schlecht, sondern müssen sich dann nur entsprechend weiterentwickeln. Der Theoretiker hat vielleicht nicht das Knowhow auf der Baustelle, kann aber beispielsweise die Elektro-Planungen erstellen oder andere wichtige Zuarbeiten machen.
Haben Sie nach der Prüfung noch Kontakt zu den Absolventen?
Über die Berufsschule organisieren wir jedes Jahr nach der Prüfung ein gemeinsames Essen mit den Lehrlingen und Lehrern. Wir sitzen zusammen, immer in einer sehr großen Runde, und sprechen über die Lehrzeit und auch die kommenden Wege. Aber auch später bleibt man im Gedächtnis und man begegnet sich auf seinem Weg immer mal wieder.
Einen meiner ehemaligen Azubis haben wir sogar für den Prüfungsausschuss gewinnen können. Zuerst war er Prüfling, dann Meister und schon selbständiger Handwerker. Jetzt ist er der nächste Prüfer in unserem Prüfungsausschuss. So kommt man zur Nachwuchsgewinnung.
Wie lange dauert es denn ungefähr, um als Meister im Prüfungsausschuss „an Bord“ zu kommen?
Nicht lange. Gerade, wenn man seinen Meisterbrief erst frisch erworben hat, ist man ja noch voll in der Materie. Außerdem kann man sich selbst noch sehr gut spiegeln, wie es ist, auf der anderen Seite zu stehen. Das hat eine positive Wirkung bei den jungen Leuten.
Mit wenigen Worten: Weshalb sollte ein Südthüringer Handwerker Mitglied in Ihrem Prüfungsausschuss werden?
Die Zukunft braucht Handwerker. Was kann man dann Besseres tun, als dafür Sorge zu tragen, dass wir die Ausbildung und alles, was dazu gehört, gemeinsam nach vorne bringen?

Sandra Günther arbeitet als Prüferin daran, dass die jungen Elektroniker-Azubis ihr volles Potenzial nutzen.