Respektvoll – aber hart in der Sache

Beim „Handwerkspolitischen Forum Ost 2024“ diskutierten Handwerk und Politik über die Zukunft des Unternehmertums


Die sprichwörtliche Bombe platzte gegen drei Uhr nachmittags, als der Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz Dr. Robert Habeck verkündete: Die Bundesregierung werde ihre Wachstumsprognose für 2024 auf nur noch 0,2 Prozent senken. Dies sei „dramatisch schlecht“, sagte Habeck. „So können wir nicht weitermachen.“

Vor dieser Aussage hatte es auf dem Handwerkspolitischen Forum Ost (HAFO) im Rahmen der „mitteldeutschen handwerksmesse“ in Leipzig am 14. Februar bereits eine intensive Diskussion zwischen Handwerk und Politik gegeben. Neben dem Bundesminister waren Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer, der mecklenburg-vorpommerische Wirtschafts-Staatssekretär Jochen Schulte, ZDH-Präsident Jörg Dittrich und die selbständige Unternehmerin Dr. Luisa Kynast auf das Podium in der Messehalle gekommen, um das Thema „Selbständigkeit im Handwerk als Lebensperspektive“ von allen Seiten zu beleuchten.

Investitionen und Bürokratieabbau

Schnell war deutlich geworden, wie eng die Frage der unternehmerischen Selbständigkeit verzahnt ist mit dem Wohl und Wehe unserer gesamten wirtschaftlichen Entwicklung. So schnell, dass sich Robert Habeck hinreißen ließ, der erst für die Folgewoche geplanten Konjunkturprognose vorzugreifen. Es brauche wieder mehr Investitionen im Land, um das Wachstum voranzubringen.

Direkt zuvor hatte Ministerpräsident Kretschmer noch den Schwerpunkt auf das Gegenteil gelegt: Nicht Sondervermögen und Mikrosteuerung, sondern mehr unternehmerische Freiheit und Technologieoffenheit seien erforderlich, um Unternehmertum wieder attraktiv zu machen. Insbesondere im Hinblick auf die Bürokratie sei eine Entlastung schon längst überfällig.

Wie diese Bürokratie im Alltag aussieht, beschrieb Luisa Kynast. Als ausgebildete Elektronikerin und Geschäftsführende Gesellschafterin der w&k Elektrotechnik GmbH aus Dermbach im Wartburgkreis sprach sie an diesem Tag stellvertretend für das Südthüringer Handwerk. „Handwerk macht mir wirklich Spaß, weil ich das Gefühl habe, dass wir im Team etwas voranbringen. Was keinen Spaß macht, das ist der Wust an Neuerungen und eventuellen Neuerungen“, beschrieb sie und fragte die anwesenden Politiker: „Wenn Ihr nicht wisst, was wird, wie sollen wir es dann wissen?“

Chef gesucht

Doch sei die fehlende Planungssicherheit nur ein Teil des Bürokratieproblems. Generell, so Luisa Kynast, werde den Unternehmerinnen und Unternehmern sehr viel aufgebürdet. Überbürokratisierung und steigende Kosten für Verwaltung, Material, Energie und Löhne machten es immer schwieriger, erfolgreich zu wirtschaften.

Aus ihrer Sicht sei das Handwerk mit der aktuellen Regierungssituation nicht zufrieden, vor allem mit dem Umgang mit Steuergeldern und dem Aufblähen des Verwaltungsapparats, was zu Lasten der Steuerzahler und Unternehmen gehe. Nur mit Digitalisierung sei dem nicht beizukommen: „Analoge Prozesse müssen stimmen, bevor man sie digitalisieren kann“, stellte Luisa Kynast fest.

Ihr Familienunternehmen beschäftige sich seit rund vier Jahren aktiv mit der Unternehmensnachfolge. Die Gewinnung von Informationen habe sich als zeit- und kostenintensiv erwiesen. Die Firmenübertragung sei an nicht mehr zeitgemäße Bedingungen geknüpft, die hohe finanzielle Belastungen für die Nachfolger auslösen können. „Angesichts der aktuellen Situation muss doch ein politisches Interesse bestehen, Unternehmensnachfolgen zu fördern und nicht zu hemmen“, beschrieb die Südthüringer Unternehmerin.

Angesichts dieser zahlreichen Belastungen treibe das Handwerk eine große Sorge um: „Heute heißt es ‚Mitarbeiter gesucht‘. Zukünftig könnte es auch heißen ‚Chef gesucht‘“, so Luisa Kynast.

Einfach machen

Die Arbeitszeit müsse der Arbeit dienen und nicht der Verwaltung, stimmte Staatsekretär Jochen Schulte zu und nannte als Beispiel die Abschaffung von mehrfach abgeforderten Berichtspflichten, obwohl die Daten bereits an anderer Stelle vorhanden seien. Viele kleine Verbesserungen wie diese zusammengenommen, seien zwar nicht der „ganz große Schritt“, aber umsetzbar und nutzbringend für die Unternehmen. Auch die Verwaltung spüre den Fachkräftemangel, weshalb der Druck zur Vereinfachung groß sei. Das Ziel müsse es sein, dass wieder mehr Menschen den Schritt in die unternehmerische Selbständigkeit wagten.

Ein Punkt, der ZDH-Präsident Jörg Dittrich aus dem Herzen sprach. Tatsächlich wisse die Politik, was das Handwerk bewegt, doch mahnte er: „Die Entscheidungsfindung braucht zu viel Zeit!“ Die Lage, in der sich das Land und die Wirtschaft befinden, erlaube es nicht mehr, Schritt für Schritt vorzugehen. Es brauche zügige Fortschritte hin zu mehr unternehmerischer Freiheit. „Einfach machen!“, forderte er mit Blick auf die Imagekampagne des Handwerks und verwies auf die schon vor Monaten vorgelegten, detaillierten Vorschläge des Handwerks, an welchen Stellen der Bürokratiedschungel effektiv gelichtet werden könne und müsse.

Alle Regeln auf den Prüfstand

„Das ist ein anständiges Papier, das Gegenteil von Polemik“, kommentierte Robert Habeck den Forderungskatalog des Handwerks zum Bürokratieabbau und hob hervor: „An keiner Stelle darin fordert das Handwerk mehr Geld, sondern schlicht bessere Bedingungen, um selbst Geld verdienen zu können.“

„An mir soll’s nicht scheitern“, versicherte der Bundesminister und sagte zu, die Maßnahmen aus seinem Zuständigkeitsbereich schnell voranzubringen. Es brauche aber eine gemeinsame Kraftanstrengung von Bund und Ländern, „jeder an seiner Stelle“, um mit den Versäumnissen der letzten Jahrzehnte beim Bürokratieabbau, beim Fachkräftemangel und beim demographischen Wandel umzugehen. „Wenn Alle ihre Lieblingsplätze verlassen und aufeinander zugehen, kommen wir voran.“

„Lasst uns gemeinsam darüber reden“, bot Ministerpräsident Kretschmer an und hob die Gefahr hervor, die von einem geringen Wirtschaftswachstum für den hiesigen Wohlstand ausgehe. „Wir müssen zusammenstehen und diskutieren, respektvoll, aber hart in der Sache“, machte auch ZDH-Präsident Jörg Dittrich in seinem Schlusswort deutlich. Dabei gehe es ebenfalls um den Zusammenhalt in der Gesellschaft. Der Begriff ‚Leistung‘ sei für das Handwerk positiv besetzt, weshalb er sich für mehr unternehmerischen Spielraum aussprach, um Forschung, Produktivität und Standortattraktivität voranzubringen, auch im Hinblick auf eine gesteuerte Zuwanderung. Sein Appell: „Zur Freiheit gehört Verantwortung!“

Wichtig sei nun, dass die Ampel-Regierung schnell und effektiv handelt, betonte Luisa Kynast. Sie warb inständig für mehr unternehmerisches Denken in der Politik, einen größeren Handlungsspielraum für Unternehmen und einen sofortigen Bürokratieabbau: „Ich würde mir mehr Leitplanken wünschen und weniger Klein-Klein“, führte sie aus. Jeder erfolgreiche Unternehmer frage sich regelmäßig: „Warum kann ich das nicht selbst entscheiden?“

Stellvertretend für die selbständigen Handwerksunternehmer Südthüringens diskutierte Dr. Luisa Kynast beim HAFO 2024 mit Spitzenpolitikern über Regulierungswut und Überbürokratisierung.