Bundestagskandidaten diskutieren Wirtschaftsfragen

Handwerkskammer veranstaltet erstmals eigenes Wahlforum im BTZ Rohr-Kloster


Mit einem persönlichen Blick auf das Handwerk startete für die sieben geladenen Bundestagskandidaten das Wahlforum der Handwerkskammer Südthüringen. Was sie mit dem Handwerk verbinde, stieg HWK-Hauptgeschäftsführer Alexander Voigt fragend in die Debatte mit den Vertretern von CDU, AfD, SPD, FDP, Bündnis 90/Grüne, Linke und Freien Wählern ein, die der Einladung der Kammer gefolgt waren. Das Podium setzte sich aus Direktkandidaten aus den Wahlkreisen 195 (Schmalkalden-Meiningen-Suhl-Hildburghausen-Sonneberg) und 189 (Eisenach-Wartburgkreis-Unstrut-Hainich-Kreis) zusammen, die sich auf das Gebiet der Handwerkskammer erstrecken. Mit diesem eigenen, erstmals organisiertem Wahlforum zu einer Bundestagswahl thematisierte die Vertretung der Handwerkerschaft in Südthüringen wirtschaftspolitische Fragen unter dem Titel: „Bundestagswahl 2025 – Welche Perspektive hat das Südthüringer Handwerk?“.

Einigkeit herrschte bei allen Bundestagskandidaten, den vielfach beklagten Mangel an Fachkräften endlich auflösen zu wollen. Während Andreas Hummel (Freie Wähler) nicht der Überzeugung war, dass das Problem kurzfristig zu lösen sei, berichtete der FDP-Bundestagsabgeordnete Gerald Ullrich von bereits langjährigen positiven Erfahrungen in seinem eigenem Unternehmen mit Fachkräften aus dem Ausland. „Die machen bei uns einen verdammt guten Job“, resümierte der Wirtschaftspolitiker. Ullrich sieht aber auch Potential in der voranschreitenden Digitalisierung, die ermöglichen könnte, dass zukünftig weniger Arbeitnehmer in der Verwaltung sondern zunehmend in der Wertschöpfung eingesetzt werden.

Auch Michael Lemm (Linke) befürwortete den Zuzug von Fachkräften aus dem Ausland und formulierte zugespitzt, dass andernfalls „in Thüringen das Licht ausgehe“. Er betonte jedoch, dass Südthüringen attraktiv sein müsse, um Fachkräfte überhaupt anlocken und zum Bleiben bewegen zu können. Der SPD-Direktkandidat Raimund Mess aus Themar appellierte in der Diskussion, wieder stärker auf junge Menschen zuzugehen, um für das Handwerk zu begeistern und für den Fachkräftenachwuchs zu sorgen. Klaus Stöber, der als Einzelkandidat im Wahlkreis 189 antritt und seit 2021 der AfD-Fraktion im Deutschen Bundestag angehört, knüpfte an und kritisierte, dass neun Prozent aller Schulabgänger in Thüringen keinen Abschluss nachweisen können und die Quote an Studienanfängern zu stark gestiegen sei. Auf diese Weise könne es keine Fachkräfte im Handwerk geben. Auch Erik Thürmer (CDU) verortete die Ursachen im Bildungssystem und sprach sich für einen polytechnischen Ansatz in den Schulen aus.

Die Debatte um den Mindestlohn verdeutlichte die differierenden wirtschaftspolitischen Vorstellungen der Mandatsbewerber. Raimund Mess verteidigte die Forderung der SPD nach einem Mindestlohn von 15 Euro und ergänzte, die Unternehmen müssten dabei unterstützt werden, diesen Lohn auch zahlen zu können. Wie dies geschehen könne, sagte Mess nicht.

Auch Michael Lemm begrüßte den Mindestlohn und unterstrich, dass jeder Vierte in Thüringen von der Einführung des Mindestlohns profitiert habe. Wenn die Region gestärkt werden solle, gelinge dies nach Ansicht Lemms nur durch höhere Löhne. Deutlicher Widerspruch kam seitens CDU und FDP. Ullrich bezeichnete den Mindestlohn als den „Tod für viele Handwerksbetriebe“ und verwies auf das  Lohnabstandsgefüge, welches eingehalten werden müsse, um auch gerecht zu entlohnen. Dem stimmte Andreas Hummel zu. CDU-Kandidat Thürmer bezeichnete es als falsche Wirtschaftspolitik, die mit dem Mindestlohn Einzug gehalten hätte und erinnerte an die Tarifautonomie. Einzelkandidat Stöber fasste zusammen, dass mehr Netto erzielt werden müsse und nicht die Bruttolöhne erhöht werden sollten.

Die Frage von HWK-Hauptgeschäftsführer Alexander Voigt, wie jungen Menschen wieder Lust auf Unternehmertum gemacht werden könne, beantworteten die Kandidaten sehr unterschiedlich. Weniger Berichtspflichten (FDP), vereinfachte Betriebsübernahmen (CDU), die Befreiung von der Gewerbesteuer (AfD), eine kostenlose Meisterausbildung (Linke) und eine einzurichtende Kommission zum Bürokratieabbau (SPD) wurden dazu als konkrete Vorschläge genannt.

Abschließend wurde Voigt nochmals konkret: „Warum möchten Sie in den Deutschen Bundestag?“. Während der SPD-, Linke-, AfD- und Grüne-Vertreter jeweils angab, sich für die Unternehmen und Beschäftigten stark machen zu wollen, unterstrich Erik Thürmer, dass er ein Kandidat aus der Region sei, der sich mit den Belangen Südthüringens auskenne und bezweifelte, dass Kandidaten anderer Parteien von außerhalb ein geeignetes Sprachrohr  sein könnten. FDP-Mann Ullrich formulierte: „Ich möchte dafür sorgen, dass Robert Habeck nicht wieder Wirtschaftsminister wird.“ und erntete dafür zustimmendes Schmunzeln aus dem Publikum.

Die anschließenden Fragen der Zuhörer drehten sich um die Senkung der Lohnnebenkosten, die Finanznot vieler Kommunen und die Integrationsmöglichkeiten, die den Flüchtlingen zur Verfügung stünden. Isabell Heidenreich, Geschäftsführerin der Kreishandwerkerschaft Schmalkalden-Meiningen wollte wissen, wie ausländische Lehrlinge besser sprachlich geschult werden könnten. Hier blieben die Antworten der Kandidaten vage. Die Integration und sprachliches Fortkommen könnten am ehesten durch das direkte Arbeiten in den Betrieben gefördert werden, waren sich die Bundestagskandidaten einig.

HWK-Hauptgeschäftsführer Voigt zog ein positives Fazit: „Die Podiumsdiskussion hat die Unterschiede der einzelnen wirtschaftspolitischen Standpunkte der Parteien verdeutlicht und kann hoffentlich dem Einen oder Anderen als Hilfe bei der Wahlentscheidung dienen. Ich freue mich, dass wir die Kandidaten für unser Format gewinnen und die Anliegen des Handwerks in Südthüringen noch einmal deutlich transportieren konnten“, so Voigt.

Geschäftsführer Alexander Voigt (l.) moderierte die Diskussion mit den Bundestagskandidaten. Im Bild: Andreas Hummel, Raimund Meß und Klaus Stöber (v.l.n.r.)

Auch Manfred Kröber, Erik Thürmer, Gerald Ullrich und Michael Lemm (v.l.n.r.) stellten sich den Fragen von Moderator und Publikum.