Der Büchsenmacher mit dem Laser

Büchsenmachermeister Torsten Retz erkundet, wie 3D-Druck seine Arbeit bereichern kann.


Ein Besuch in der Büchsenmacher-Manufaktur Retz und Sohn in Suhl ist wie ein Ausflug in die Blütezeit des Jagdwaffenbaus, der bis heute ein prägendes Handwerk für Südthüringen ist. Kunden aus aller Welt schätzen die handwerkliche Qualität und die über Generationen überlieferten Fähigkeiten, die ihnen hier von alteingesessenen Familienunternehmen geboten werden.

Solch ein Unternehmen ist auch die Werkstatt von Büchsenmachermeister Torsten Retz. Wie so viele andere findet man sie nicht in einem modernen Gewerbegebiet, sondern in einem unscheinbaren Altbau mitten im Stadtteil Goldlauter Heidersbach. Drinnen stehen Werkbänke und Maschinen, die für die Ewigkeit gemacht scheinen. Schusswaffen aus Urgroßvaters Zeiten hier in Pflege zu sehen, ist keine Seltenheit. Doch trügt der Anschein, denn Torsten Retz wagt seit einigen Monaten ein höchst modernes Pilotprojekt. Gemeinsam mit der Handwerkskammer Südthüringen erkundet er das Potential des 3D-Drucks, als neue Fertigungstechnik seine Arbeit zu unterstützen.


Das Herzstück der Flinte

Denkt man an 3D-Druck und Schusswaffen, kommen einem zunächst Selbstdruck-Anleitungen für Kunststofffilamente in den Sinn, die seit einigen Jahren im Internet kursieren. Davon jedoch könnte das gemeinsame Projekt von Büchsenmachermeister Torsten Retz und Andreas Hölzer, Beauftragter für Innovation und Technologie im Berufsbildungs- und Technologiezentrum Rohr-Kloster, weiter nicht entfernt sein. Ihr Werkstoff ist Metall und sie wagen sich damit an das Herzstück der Flinte, den sogenannten Systemkasten. Dieser muss den vollen Explosionsdruck der Patrone aushalten. „Im Waffenbau ist das die erste mir bekannte Anwendung“, hebt Andreas Hölzer hervor.


Torsten Retz erläutert, wie es zu dem Projekt gekommen ist: „Der Kunde wollte sich eigentlich einen Bockdrilling bei mir bauen lassen. Vor einem Jahr war er dann aber hier in der Werkstatt und hat eine fertige, sogenannte Karpatenbüchse gesehen, die kurz vor der Auslieferung war. Stabile Büchsen wie diese wurden in den Zwanzigerjahren hier in Suhl für wochenlange Jagdreisen gebaut. Da ist er in zehn Minuten von seinem ursprünglichen Plan komplett abgerückt und hat gesagt: Genau die will ich haben.“


Überzeugungsarbeit


Normalerweise käme für einen solchen Nachbau das klassische Subtraktionsverfahren zum Einsatz, bei dem Schritt für Schritt aus dem vollen Eisen Material abgetragen wird. Dass sich Torsten Retz stattdessen an den 3D-Druck wagte, lag am Kontakt zum BTZ Rohr-Kloster: „Unser erstes Projekt liegt schon zehn Jahre zurück“, erläutert Andreas Hölzer. Damals hatte sein Team, das immer neue Techniken auch im Handwerksalltag erproben will, bereits im klassischen Verfahren Systemkästen-Rohlinge für die Manufaktur hergestellt. „Ich habe mir gedacht, wir könnten gemeinsam auch einmal additive Verfahren ausprobieren“, sagt Andreas Hölzer.


„Er hat mich quasi überredet“, lächelt Torsten Retz und erwähnt seine damalige Zurückhaltung. „Die eigentliche Belastungsprobe kommt ja erst noch im Beschussamt. Dort werden Lauf, Systemkasten und alle dazugehörigen Teile mit etwa 35 Prozent Überdruck gegenüber der Gebrauchspatrone beschossen.“ An Andreas Hölzer gerichtet ergänzt er: „Wenn das ohne Beanstandung über die Bühne gegangen ist, dann glaube ich Dir!“


Verfahren mit vielen Vorteilen


Doch der Experte vom Kompetenzzentrum Metall- und Fertigungstechnik ist sich sicher, dass das Bauteil die Erwartungen erfüllen wird: „Das ist kein alltägliches Material, aber im Werkzeug- und Formenbau eigentlich schon seit vielen Jahren Standard.“ Er beschreibt den Vorgang: „Wir verwenden für das Verfahren Pulver in Feinstaubqualität. Der Laser bringt das Pulver an seinen Schmelzpunkt, da herrschen im Fokus zweitausend Grad. Dabei wird die Schicht darunter angeschmolzen, so dass ich eine feste Verbindung bekomme. Durch dieses Laser-Sinterverfahren entsteht ein feinkörniges Gefüge mit den Festigkeitseigenschaften, die dem Werkstoff gerecht werden.“


„Als ich es von Dir geholt habe, konnte ich es tatsächlich mit meinen händischen Methoden nicht bearbeiten. Mein normales Gewindeschneidwerkzeug ging nicht damit. Auch der Graveur wäre mit seinem normalen Werkzeug verzweifelt. Ich musste es nochmal wärmebehandeln“, erinnert sich daraufhin Torsten Retz und verweist außerdem darauf, dass 3D-Druck ihm nicht völlig neu ist: „Wir haben das Verfahren schon mal für Teile benutzt, die nicht dem direkten Gasdruck ausgesetzt sind, etwa das Abzugsblech.“


Wenn sich der Ansatz nun auch für den Systemkasten bewährt, locken gleich mehrere Vorteile. „Der Herstellungsaufwand ist geringer“, beschreibt Andreas Hölzer. Der originale Systemkasten sei für die Rekonstruktion mittels Computertomographie (CT) erfasst worden. „Wir waren nach dem Druck also schon nah dran an der idealen Geometrie. Das reduziert merklich den Nachbearbeitungsaufwand verglichen damit, dass ich aus dem vollen Eisen heraus fräse und erodiere“, erklärt der Experte. Außerdem könne der digitale Datensatz dazu benutzt werden, die Maschinen zur Nachbearbeitung ideal einzustellen. Torsten Retz schätzt die mögliche Zeitersparnis auf mehrere Monate bei sich und seinen Geschäftspartnern.


Erfahrung macht den Unterschied


Und doch steckt der Teufel im Detail, weiß der Büchsenmachermeister. Die maschinelle Umsetzung müsse klappen, und das bei überaus geringen Fehlertoleranzen: „Eine der Bohrungen hat nicht ganz zum Außenradius gepasst. Das mussten wir nacharbeiten“, erinnert sich Torsten Retz. Zum Glück habe er die Abweichung rechtzeitig entdeckt. Er weiß aus langer Erfahrung: „Es gibt an einer Waffe viele verschiedene Teile, die ineinander laufen müssen. Das stellt am Ende eine Komposition dar aus einer Drehbewegung, die in eine geradlinige Bewegung übersetzt wird. Wenn wir hier einen halben Millimeter neben dem Optimalfall liegen, habe ich riesige Probleme.“ Umso größer ist sein Respekt vor den alten Meistern seines Handwerks, die ohne maschinelle Hilfe auskamen: „Die wussten, was sie tun!“


Dabei braucht auch Torsten Retz sein Licht nicht unter den Scheffel zu stellen. Der im 3D-Druck hergestellte Systemkasten ist aktuell nur eines von zahlreichen Werkstücken, die er gemeinsam mit seinem Sohn und Lehrling Valentin bearbeitet. Jedes einzelne davon erfordert ihre ganze Erfahrung. Bei allem technischen Fortschritt ist es deshalb Andreas Hölzer, der betont: „Du machst hier Unikate. Das Handwerkliche steht außer Frage. Die Nacharbeit, das Händische, das ist weiterhin notwendig. Wir gehen einfach einen anderen, neuen Weg dorthin.“

Büchsenmachermeister Torsten Retz (r.) zeigt BIT-Berater Andreas Hölzer (l.), wie die Arbeit am gedruckten Systemkasten vorangeht.