Über den Tellerrand

Wie arbeiten Steinmetze in Italien? Leif Erik Mangold hat es mit einem ERASMUS+ – Praktikum herausgefunden.


Auslandsaufenthalte sind nur etwas für Studenten? Weit gefehlt! Auch Auszubildende im Handwerk können das ERASMUS+ – Förderprojekt nutzen, um in ganz Europa ihren Horizont zu erweitern und über den Tellerrand zu blicken. Leif Erik Mangold, der gerade in Steinbach-Hallenberg den Beruf des Steinmetzes erlernt, hat die Chance genutzt und im Frühjahr mehrere Wochen in Italien gearbeitet. Im Interview berichtet er, welche Erfahrungen er im Rahmen seines Praktikums auf der anderen Seite der Alpen gemacht hat.

Herr Mangold, wie kam es zu Ihrem Praktikum im Ausland?

Es hat mich gereizt, seitdem ich gehört hatte, dass ERASMUS nicht nur für Studierende ist, sondern auch für Auszubildende. Und da dachte ich mir, dass ich es am besten im zweiten Lehrjahr mache, wenn ich schon etwas gelernt habe, ich mich aber noch nicht auf die Gesellenprüfung vorbereiten muss.

Haben Sie dann Italien als Ziel ausgewählt?

Ursprünglich wollte ich eigentlich nach Schweden, ans königliche Schloss in Stockholm. Das hat leider nicht geklappt. Über Eurocultura wurde mir dann Italien vorgeschlagen, genauer gesagt Norditalien, Vicenza, also zwischen Verona und Venedig. In Schweden hätte ich zwar die Sprache schon gekonnt, aber ich bin da sehr offen für alles.

Gab es einen Bewerbungsprozess?

Bei den Anträgen haben mir Eurocultura und die Handwerkskammer geholfen. Es gab ein kurzes Interview per Videoanruf, in dem ich mich vorgestellt habe: Was kann ich schon? Wo liegen meine Schwerpunkte? Ich bekam einen Überblick, was auf mich zukommt und die Info, dass ich vorab einen Crash-Kurs in Italienisch brauche. Das war’s dann eigentlich. Ein paar Wochen später bin ich runtergefahren.

Wie lange waren Sie dort?

Offiziell sechs Wochen, aber ich habe erst zum Donnerstag der ersten Woche angefangen.

Hat Ihr Ausbilder Sie so einfach für sechs Wochen freigestellt?

Das war kein Problem. Im Frühjahr ist es auf dem Bau immer etwas ruhiger. Er hat gesagt: „Gut, das kannst du gerne machen!“

In welcher Art von Unternehmen waren Sie dann tätig?

Das war ein Industriesteinmetz, ziemlich riesig im Vergleich zu unserem drei-Mann-Betrieb. Sie schneiden, polieren und bearbeiten, auch Statuen und Säulen. Dabei kommen große CNC-Maschinen zum Einsatz. Leider konnte ich mir ihre Steinbrüche nicht ansehen, denn dafür war das Praktikum zu kurz.

Hatte der Betrieb schon Erfahrung mit ERASMUS-Praktikanten?

In diesem Frühjahr war ich der einzige, aber ein halbes Jahr vorher hatten sie schon mal eine Steinmetzin gehabt. Sie war so begeistert, dass sie nach Ende ihrer Ausbildung ein ganzes Jahr geblieben ist. Man kann ja das ERASMUS-Praktikum bis zu zwölf Monate nach der Ausbildung machen.

Wie waren Sie während des Praktikums untergebracht?

Eurocultura hat uns eine Wohnung in Vicenza gestellt. Da war ich mit fünf anderen Praktikanten untergebracht. Aber es gibt auch Gastfamilien.

Lag die Unterkunft weit entfernt von Ihrer Arbeit?

Ja, das waren zu Fuß und mit dem Bus etwa 40 Minuten. Vor sechs Uhr war ich unter der Woche selten zu Hause – und dann war ich auch platt. Ich bin dann vielleicht nochmal einkaufen gegangen oder etwas essen, aber alles andere fand am Wochenende statt.

Wie viel hat Sie der Aufenthalt gekostet?

Es waren etwa 3.400 Euro, aber das habe ich ja wiederbekommen von der EU in Form von Fördergeldern.

Wie würden Sie den Schwerpunkt Ihres Aufenthalts beschreiben? Haben Sie Land und Leute kennengelernt oder gesehen, wie das Handwerk in anderen Ländern arbeitet?

Eigentlich alles davon. Durch die Nähe zu Padua, Venedig und Verona waren wir waren eigentlich jedes Wochenende immer irgendwo. Und ansonsten habe ich auf der Arbeit die Leute und die italienische Art und Weise kennengelernt.

Wie haben Sie Ihre italienischen Kollegen erlebt?

Im Grunde war alles doch sehr ähnlich zu uns. Klar ruft auch mal einer durch die Halle und man neckt sich gegenseitig, aber das kenne ich nicht anders, auch in Sachen Arbeitsmoral. Nur an die lange Mittagspause von zwölf bis halb zwei musste ich mich gewöhnen. Im Sommer in der knallenden Mittagssonne ist das natürlich verständlich.

Haben Sie auch neue Einblicke für Ihre Arbeit mitgenommen?

Ich habe vor allem das Arbeiten mit Druckluft kennengelernt, das hatte ich so im Betrieb und in der ÜLU bisher noch nicht gehabt. Ansonsten vor allem Bildhauerei und Feinarbeiten mit Maschinen, statt sie nur für Vorarbeiten einzusetzen.

Würden Sie sagen, Ihr ERASMUS-Praktikum war so etwas wie eine Walz zum Reinschnuppern?

Schon irgendwie. Um ehrlich zu sein, hat es mich durchaus auf den Gedanken gebracht: „Mensch, wenn du fertig bist, gehst du die drei Jahre weg!“ Ich habe sehr viel Herzlichkeit erlebt und wurde überall gut angenommen. Die Idee zur Walz habe ich schon länger, aber jetzt nach dem Praktikum denke ich: „Eigentlich könnte ich es doch machen.“

Würden Sie anderen Lehrlingen empfehlen, auch ein ERASMUS-Praktikum zu machen?

Ja, definitiv. Man lernt an einem anderen Ort sehr viel. Und es ist kein großer Aufwand. Ich habe mich an die Kammer gewandt, musste drei Unterschriften leisten und es konnte losgehen!

Die Feinarbeit mit luftdruckbetriebenen Werkzeugen ist nur eine der vielen Erfahrungen, die Leif Mangold in Italien gemacht hat.