
Das VG Düsseldorf hat entschieden, dass Bewilligungsstellen bei der Überbrückungshilfe IV alternative Nachweise nicht ohne sachlichen Grund ablehnen dürfen. Das Urteil gibt wichtige Impulse für bundesweite Verfahren.
Das VG Düsseldorf hat mit Urteil v. 4.4.2025, 9 K 6289/23, eine wichtige Entscheidung zur Nachweisführung bei Corona-Überbrückungshilfen getroffen. Die Rechtskraft des Urteils ist derzeit noch unbekannt. Dennoch verdient die Entscheidung bereits jetzt besondere Beachtung, da sie grundlegende Fragen zum Umgang mit Nachweisen und zur Auslegung der Förderrichtlinien klärt.
Der entschiedene Fall
Die Klägerin, ein Unternehmen zur Förderung ehrenamtlicher Tätigkeit im Kunst- und Kulturbereich, hatte im Mai 2022 Überbrückungshilfe IV für den Zeitraum Januar bis Juni 2022 beantragt. Die Bezirksregierung Düsseldorf forderte mehrfach Nachweise für die geltend gemachten Umsatzrückgänge an und schlug dabei ausdrücklich eine BWA oder Umsatzsteuervoranmeldung als Beispiele vor.
Die Klägerin legte zunächst eine BWA für 2019 und Schätzungen für das erste Quartal 2022 vor. Auf wiederholte Nachforderungen übersandte ihr prüfender Dritter schließlich eine Bestätigung eines Rechtsanwalts vom 26.7.2023, der die Netto-Umsätze des ersten Halbjahres 2022 nach Prüfung von Kassenberichten und Bankkontoauszügen bestätigte.
Die Bezirksregierung lehnte diese Bestätigung als unzureichend ab, da der Rechtsanwalt das Unternehmen nicht im Coronahilfe-Programm betreue und die Unterlage keine ausreichende Plausibilisierung ermögliche.
Kernaussagen des Gerichts zur Nachweisführung
Das VG Düsseldorf gab der Klage statt und verpflichtete den Beklagten zur Neubescheidung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts. Die Begründung enthält mehrere praxisrelevante Aussagen:
Beispielhafte Nennung von Nachweisen ist wörtlich zu nehmen
Das Gericht stellte klar, dass sowohl die Förderrichtlinien (Ziffer 6 Abs. 2 Satz 2 lit. a FRL ÜH IV) als auch die konkrete Aufforderung der Bezirksregierung BWAs und Umsatzsteuervoranmeldungen nur beispielhaft nannten. Die Verwendung des Wortes „beispielsweise“ sei ernst zu nehmen. Wenn die Verwaltungspraxis alternative Nachweise zulasse, dürfe die Bewilligungsstelle andere Unterlagen nicht ohne sachlichen Grund ablehnen.
Keine freie Beurteilung der Bewilligungsstelle
Besonders bedeutsam ist die Feststellung des Gerichts, dass die Bewilligungsstelle in ihrer Beurteilung, ob eine eingereichte Unterlage die Antragsberechtigung plausibilisiert, nicht völlig frei sei. Dies steht im Widerspruch zur Auffassung vieler Bewilligungsstellen, die für sich ein umfassendes Beurteilungsermessen reklamieren.
Bestätigung durch Rechtsanwalt ist grundsätzlich geeignet
Das Gericht wies die Einwände der Bezirksregierung gegen die anwaltliche Bestätigung zurück. Die fehlende Bevollmächtigung für das Coronahilfeprogramm sei irrelevant, da auch BWAs nicht von bevollmächtigten Personen erstellt werden müssten. Die Aussagekraft der Bestätigung sei aufgrund der beruflichen Grundpflichten des Anwalts zur Sachlichkeit und seines Verbots zur Verbreitung von Unwahrheiten (§ 43a Abs. 3 BRAO) sogar erhöht.
Zudem stellte das Gericht fest, dass auch BWAs keine erhöhte strafbewehrte Position hätten, da es weder eine gesetzliche Pflicht zu ihrer Erstellung noch gesetzliche Vorgaben zu Aufstellung und Inhalt gebe.
Verfahrensfehler: Fehlende Anhörung
Selbst wenn man die Bestätigung für unzureichend hielte, hätte die Bezirksregierung die Klägerin vor der Ablehnung auf ihre Bedenken hinweisen müssen. Die Bewilligungsstelle hatte lediglich allgemein Nachweise angefordert und dabei BWA oder Umsatzsteuervoranmeldung als Beispiele genannt. Da die anwaltliche Bestätigung als Nachweis nicht von vornherein völlig ungeeignet war, musste die Klägerin mit ihrer Zurückweisung nicht rechnen.
Vor diesem Hintergrund hätte die Bezirksregierung der Klägerin zur Wahrung des rechtlichen Gehörs Gelegenheit geben müssen, zu etwaigen Bedenken Stellung zu nehmen und ihre Angaben zu ergänzen. Ohne einen solchen Hinweis hat die Behörde den entscheidungserheblichen Sachverhalt nicht hinreichend aufgeklärt.
Übertragbarkeit auf andere Bundesländer
Obwohl das Urteil aus Nordrhein-Westfalen stammt, sind die Grundsätze bundesweit übertragbar. Die Förderrichtlinien der einzelnen Bundesländer basieren auf den bundeseinheitlichen Vollzugshinweisen des BMWK (heute Bundesministerium für Wirtschaft und Energie) und sind weitgehend inhaltsgleich. Auch die FAQs gelten bundesweit.
Die vom VG Düsseldorf entwickelten Grundsätze zur Auslegung der beispielhaften Nennung von Nachweisen, zur Bindung der Verwaltung an ihre eigene Praxis und zur Notwendigkeit rechtlichen Gehörs vor Ablehnung sind allgemeine verwaltungsrechtliche Prinzipien, die nicht auf Nordrhein-Westfalen beschränkt sind.
Bedeutung für die Praxis
Das Urteil hat erhebliche praktische Bedeutung für laufende und künftige Verfahren:
Für Unternehmen und prüfende Dritte: Die Entscheidung zeigt, dass bei fehlenden BWAs oder Umsatzsteuervoranmeldungen alternative Nachweise durchaus zulässig sind. Bestätigungen durch Steuerberater oder Rechtsanwälte auf Grundlage von Kassenberichten, Bankkontoauszügen oder anderen Unterlagen können ausreichen, sofern sie nachvollziehbar und überprüfbar sind.
Für Bewilligungsstellen: Das Urteil mahnt zu maßvollen Anforderungen. Wenn in Förderrichtlinien und Aufforderungsschreiben Nachweise nur beispielhaft genannt werden, kann dies nicht später ignoriert werden. Die Bewilligungsstellen müssen vor Ablehnung klar kommunizieren, welche konkreten Zweifel an der Eignung vorgelegter Unterlagen bestehen, und dem Antragsteller Gelegenheit zur Nachbesserung geben.
Für Widerspruchs- und Klageverfahren: In Fällen, in denen Anträge wegen angeblich unzureichender Nachweise abgelehnt wurden, lohnt sich eine Prüfung, ob die Bewilligungsstelle überzogene Anforderungen gestellt oder ihrer Hinweispflicht nicht genügt hat. Das Urteil bietet gute Argumente für eine Neubescheidung.
(Quelle: Haufe Online Redaktion)